Mythologie und Frankenwein

Das Frontispiz von Adolph Menzel

Der berühmte Maler Adolph Menzel verewigte sich mit einer Malerei zu Ehren Bad Kissingens im Goldenen Buch.


Menzel Frontispiz kleiner

Zur Entstehung des Goldenen Buchs

Die Idee, ein Gedenkbuch für die Gäste der Stadt anzulegen, entstand im Jahr 1889. Der damalige Stadtmagistrat, allen voran Bürgermeister Geheimrat Dr. Theobald Fuchs, beauftragte den Münchner Hofbuchbinder Paul Attenkofer mit dem Projekt. Das Goldene Buch, 130 Blätter stark, eingebunden in festes Leder und mit Messingornamenten beschlagen, erhielt seinen ersten Eintrag von der deutschen Kaiserin Auguste Victoria im Juli 1889. Wenige Tage später, am 4. August, verewigte sich Adolph Menzel mit Unterschrift als auch einen Tag später mit einem Frontispiz, also einer Malerei auf den ersten Buchseiten. Der weithin bekannte Maler – aufgrund seiner zahlreichen Ehrungen, darunter der Verleihung des Titels „Exzellenz“, und seiner Körpergröße von 1,40 Meter oft als „kleine Exzellenz“ bezeichnet – war seit dem 10. Juli 1889 im Haus Hailmann in der Kurhausstraße untergebracht.[1]

Das Frontispiz, die Mythologie und der Frankenwein

Bereits die Signatur unter dem Frontispiz sagt viel über Adolph Menzel und seine Aufenthalte in der Kurstadt aus. Er unterzeichnete seine Malerei explizit als „Nicht-Kurgast“, der trotz dieser Selbstbenennung eine besondere Verbindung zu Bad Kissingen entwickelte und auch die Vorzüge der Kurstadt schätzte – auch wenn seine Vorliebe zum Frankenwein nichts mit dem Kurbetrieb am Hut hatte. Die Bezeichnung „Nicht-Kurgast“, mit der er sich nicht nur im Goldenen Buch schmückte, kam nicht von ungefähr. Auch wenn Menzel in seinen zahlreichen Skizzen und Gemälden den Kurgarten und die Gäste in den Blick nahm, frönte er lieber dem regionalen Wein, meist in einem hölzernen Erker der Weinstube Karch an der Ecke Weingasse – Marktplatz, von dem aus er das Treiben in der Innenstadt beobachten und dabei Frankenwein genießen konnte. Heute wird der Erker „Menzel-Eck“ genannt.

Menzels Vorliebe für den Weingenuss in der Kurstadt erfährt auch im Frontispiz Würdigung. Am detailreichen Bild, betitelt mit „Die Göttin der Gesundheit, die vor einem kleinen, den schäumenden Pokal kredenzenden Faun aus dem perlenden Sprudel entsteigt“, sind zahlreiche Weinreben erkennbar. Die titelgebende Göttin der Gesundheit – griechisch „Hygieia“, römisch „Dea salus“ – ist in der Kurstadt kein unbekanntes Motiv: So steht beispielsweise an der Lindesmühlpromenade eine Figurengruppe mit der Hygieia im Zentrum, flankiert von den Quellgöttern Rakoczy und Pandur. Das Frontispiz zeigt eine fröhliche Göttin, neben ihr einen kleinen Faun, der reichlich mit Weinreben geschmückt ist und, wie im Titel bereits vorweggenommen, ein Glas weißen Frankenwein präsentiert. Wie in Bewegung wirkt die Hygieia mit dem sie umschmeichelnden Heilwasser, die – anders als der Faun – ein typisches Heilwasserglas mit zeitgenössischem Umhängeriemen in der Hand hält. Das Bildnis umgibt eine Schrift: Vor das traditionelle Kur-Motto „In balneis salus“ (Heil/Gesundheit in den Bädern) setzte der Maler den Zusatz „In poculis“ (In Gläsern) und spielte somit ebenfalls auf den Frankenwein an, der sich in Bad Kissingen und besonders bei Menzel großer Beliebtheit erfreute.

Seit 1884 war Adolph Menzel, ab mit dem Namenszusatz „von“, ein regelmäßiger Gast in Bad Kissingen. Nach eigenen Aussagen habe er die Kurbehandlungen nicht selbst in Anspruch genommen, auch wenn er in seinen Werken den Kurbetrieb dokumentierte, beispielsweise das Morgenbüffet der Feinbäcker im Kurgarten, die Kurgäste beim Spaziergang und die Heilwasserverkostung in seiner Darstellung der Brunnenpromenade.

Im Jahr 1895, an seinem 80. Geburtstag, wurde Adolph Menzel die Ehrenbürgerwürde der Stadt Bad Kissingen verliehen. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod besuchte Menzel noch mehrmals die Kurstadt. Neben dem Frontispiz, dem „Menzel-Eck“ am Marktplatz und der Menzelstraße im Kurviertel erinnert heute auch die Darstellung des Malers im Kreis der historischen Persönlichkeiten des jährlich stattfindenden Rakoczyfests an die „kleine Exzellenz“.

Weiterführende Literatur

Ahnert, Thomas; Weidisch, Peter (Hrsg.): 1200 Jahre Bad Kissingen. Facetten einer Stadtgeschichte 801 – 2001, Sonderpublikation des Stadtarchivs Bad Kissingen. Bad Kissingen 2001.

Ebertshäuser, Heidi: Adolph von Menzel. Das graphische Werk in zwei Bänden. München 1976.

Keisch, Claude; Riemann-Reyher, Marie Ursula, Nationalgalerie und Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.): Adolph Menzel 1815 – 1905. Das Labyrinth der Wirklichkeit. Köln 1996.

Keisch, Claude; Riemann-Reyher, Marie Ursula (Hrsg.): Adolph Menzel. Briefe. 4 Bände. Berlin 2009.

Kleberger, Ilse: Adolph Menzel. Preuße, Bürger und Genie. München 1984.

Lammel, Gisold: Exzellenz lassen bitten. Erinnerungen an Adolph Menzel. Leipzig 1992.

Sammlung Georg Schäfer (Hrsg.): Adolph Menzel. Realist - Historist - Maler des Hofes. Gemälde, Gouachen, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik aus der Sammlung Georg Schäfer Schweinfurt und aus der Kunsthalle Bremen ergänzt durch die Bestände der Kunsthalle zu Kiel und des Museums für Kunst und Kulturgeschichte in Lübeck. Schweinfurt 1981.

Wirth, Irmgard: Mit Menzel in Bayern und Österreich. München 1974.

Ziegler, Peter: Prominenz auf Promenadenwegen. Bad Kissingen 2004.


[1] Kurliste Nr. 130 der Stadt Bad Kissingen aus dem Jahr 1889. Eintrag Nr. 5148.

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